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Fortsetung des Interviews mit Harald Siebler
Die Geldproblematik begleitet das ganze Projekt, bis zum Schluss und nur wenige wollten es akzeptieren. Komm mit einer Idee in Deutschland – sie wird schlecht gemacht: „Wer will denn so was im Kino sehen?“ Oder es wird gesagt: „Eine tolle Idee.“ Und dann lassen sie dich im Regen stehen. Das hat den gleichen Effekt. Oder es gibt noch die Möglichkeit zu sagen: „Tolle Idee, aber das kann man nicht machen!“ Meine Haltung war: „Wenn man es nicht probiert, kann man es wirklich nicht machen“. Man muss immer wieder darauf hinweisen, dass Kunst im Theater und im Film nicht nur auf Quote schielen und kommerziellen Gedanken folgen darf, sondern immer auch ein Spiegel der Gesellschaft sein sollte. Es muss schon mal ein Risiko eingegangen werden, wenn so ein Thema da ist.
Das nächste Problem war: Wie kriegt man Stoffe für dieses Projekt? Zusammen mit der Master School Drehbuch habe ich eine Ausschreibung formuliert, die sich mit einer Frist von zwei Monaten an die Autoren in Deutschland wandte. Es gingen etwa 300 Stoffideen, Treatments, Drehbücher ein, die alle der einen Vorgabe folgten: einen der Grundgesetz-artikel von 1 - 19, also der Grundrechte, zu wählen und dazu einen Spielfilm zwischen zwei und maximal zehn Minuten Länge zu schreiben. Nach der ersten Jurysitzung waren 13 Bücher gefunden. Für die letzten 6 Artikel gab es keinen überzeugenden Konsens. Daher habe ich noch eine zweite Ausschreibung für diese 6 Artikel (Drehbücher) gemacht. Innerhalb einer 6-Wochen-Frist wurden nochmals 180 Stoffe eingeschickt. Nach der dann folgenden 2. Jurysitzung war die Auswahl komplett. 19 Stoffe waren gefunden.
Dann habe ich eine Jury (Nina Grosse, Branwen Okpako, Maria Schrader, Manfred Eichel, Richard Schöps und Eckhardt Theophil) eingeladen, die von einem Polito-logen und einem Juristen beraten wurde, die uns gesagt haben, ob wir ganz da-neben liegen oder ganz nahe dran sind. Nach einem langen und zum Teil schmerz-haften Auswahlverfahren hatten wir schließlich 19 Stoffe. Anschließend habe ich ein Dramaturgenteam zusammengestellt, das gemeinsam mit mir und den Autoren die Stoffe überprüft, durchleuchtet, bearbeitet und erweitert hat. Die Drehbücher waren
ja noch nicht fertig, die entstanden erst im Verlauf dieser Arbeit. Ich habe dann nach einem Konstrukt gesucht, das diese Stoffe zusammenhält bei so viel unterschied-lichen Ansätzen:
Das eine ist ein Drama, das andere eine Satire, das eine ist traurig, das andere spannend. Bei einer Geschichte ist das filmische Potential größer und bei einer anderen kleiner. Die Jury hat festgestellt, dass diese unterschiedlichen Mentalitäten den föderalistischen Ansatz fortgeführt haben. Die Frage war: „Muss man Einheit schaffen, um Einheit zu kreieren, oder kann es auch gelingen, aus der Unterschied-lichkeit der Dinge eine Einheit zu kreieren?“
Demokratie ist ein hohes und schützenswertes Gut und die demokratische Basis,
die hier geschaffen wird, ist etwas sehr Wertvolles, weil sie sehr viel Freiheit lässt. Die Frage ist nur, wie geht man damit um? Die Pressefreiheit ist nur ein Beispiel.
Gibt es wirklich Pressefreiheit in Deutschland? Ein unzensiertes Arbeiten der Journalisten? Ich verneine das. Und nach acht Jahren Erfahrung ganz besonders.
Auch in der Politik wird es vorgelebt: Der Verstoß gegen die Grundrechte ist allge-genwärtig. Wer hält sich dran? Im Grundgesetz steht, der Abgeordnete ist nur sich selbst und seinem Gewissen verantwortlich, wir haben keine Parteiendemokratie. Grobe Verstöße dagegen werden aber toleriert, stillschweigend hingenommen. Der Parteigeneral zwingt Abtrünnige zurück in die Spur. Der Verstoß ist zur Selbstver-ständlichkeit geworden und derjenige, der versucht seinem Gewissen zu folgen,
wird unter Druck gesetzt. Ist das nicht merkwürdig, dass da keiner aufsteht und schreit? Man liest es dauernd in der Zeitung, das steht da einfach. Ist es nicht merk-würdig, dass die Zeitungen, die sich über alles empören, bei so was alle still halten, dass das nicht angeprangert wird?
Von der Würde will ich jetzt gar nicht reden, oder vom Asylrecht und wie das über die Zeit ausgehebelt wurde. Was da drinsteht im Grundgesetz, so wie es mal formuliert war, das gibt es nicht mehr, wir haben kein Asylrecht mehr.
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